Lass‘ dein Publikum sich auskennen – mit guter Bildgestaltung Orientierung in Webvideos schaffen.
Bis heute suchen mich mitunter Albträume aus meiner Zeit als wahrscheinlich schlechtester Schauspieler Oberösterreichs heim. Dann träume ich Folgendes: irgendwer stößt mich auf eine Bühne, die übrigen Schauspieler schauen mich erwartungsvoll an und ich habe nicht die geringste Ahnung, worum es geht (welches Stück, welche Rolle, welcher Text).
Genauso fühlen sich wahrscheinlich deine Zuschauer:innen, wenn du sie in deine Geschichte stößt, ohne davor den Kontext geklärt zu haben.
Was heißt das? Deine Zuschauer:innen sollten zumindest einen ungefähren Eindruck davon haben, wo sie sind und was hier passiert (geht es um Monsterjagd oder eher um das Anlegen von Geld?)
Wir reden jetzt nicht von einem Spielfilmformat, bei dem die Zuschauer:innen anfangs im Ungewissen bleiben sollen. Aber irgendwann gibt es ja auch dort eine Erklärung.
Unser Titelbild ist aus der Anfangseinstellung des legendären Films „The Blade Runner“ von Ridley Scott und zeigt ein dystopisches Los Angeles der nahen Zukunft, in dem der gesamte Film spielt. Die Einstellung sorgt also gleich einmal für Klarheit was (und wo) gespielt wird.
Damit landen wir jedenfalls beim kleinen Einmaleins der Filmerei. Beim Framing oder besser: bei der Bedeutung von Einstellungsformaten.
Der Location Shot – räumlicher Überblick durch gute Bildgestaltung in Webvideos
Jaja, ich weiß schon! In 25 Sekunden, die dein Video dauern darf, sollst Du auch noch einen Location-Shot unterbringen. Das geht sich nicht aus, wenn du deine Botschaft rüberbringen sollst. Das ist Aufgabe genug. Das sparst du dir. Sagst du!
Ich behaupte: wenn du deine/n Zuschauer:in in deine Geschichte schmeißt, ohne dass er/sie weiß, wo er/sie ist und worum es eigentlich geht, dann wird sein/ihr Unbewusstes bis zum Schluss des Clips darüber grübeln, worum es da eigentlich geht und von deiner Botschaft bleibt genau NULL hängen.
Also bitte: hilf deinen Zuschauer:innen bei der Orientierung! Wie? Mit einem Location-Shot. Zeig‘ her, wo die Sache spielt!
Aber der Reihe nach!
Wenn ich jetzt über die einzelnen Einstellungen erzählen werde, rollst du vielleicht mit den Augen weil du das schon hundert Mal gehört hast. Aber vielleicht findest du doch den einen oder anderen Gedanken, der dir helfen kann, dein Video für deine Zuschauer:innen leichter wahrnehmbar und verdaulich zu machen, sodass du deine Botschaft auch wirklich gut ins Ziel bringst.
Totale und Super-Totale – atmosphärische Grundinformation durch Bildgestaltung in Webvideos
„Totale“: das meint eine Einstellung mit kurzer Brennweite bei der ein möglichst großer Ausschnitt des Handlungsschauplatzes gezeigt wird. Bei einer Supertotalen wird eine ganze Landschaft, eine Stadt oder ein Spielgelände (Stadion, Rennbahn, Fußballfeld,…) gezeigt.
Soweit das, was ohnehin jeder weiß.
Aber was bedeutet das? Eine Totale oder Supertotale schafft Überblick und Orientierung. Ich weiß als Zuschauer:in wo ich bin, ob Tag oder Nacht, Sonnenschein oder Regen, alleine oder unter vielen Leuten. (z.B. Anfangseinstellungen Wim Wenders „Paris, Texas“ oder Alfred Hitchcock „North by Northwest“).
Was vermittelt eine Totale noch? Sie verallgemeinert. Will heißen: sie pickt niemanden speziell heraus, sondern zeigt einen Überblick. Sie macht die Menschen im Bild anonym und ohne individuelle Unterschiede. Und rein technisch gibt es keine Möglichkeit einer Schärfeverlagerung. Will heißen: alles ist gleich viel wert, gleich interessant.
Mit diesen subtextlichen Informationen kannst du deinen gesprochenen oder gespielten Text unterstreichen, ihm auch auf der Bildebene Bedeutung geben.
Drohnenaufnahmen und der joviale Blick – der liebe Gott in der Bildgestaltung für Webvideos
Was eine Totale auch noch bewirkt: sie macht Menschen klein. Da gibt es die Szene im „Dritten Mann“ mit dem Blick aus dem Riesenrad auf die Menschen unten auf dem Boden.
So etwas nennt man den „jovialen Blick“. („Jovis“, das ist Jupiter, der Göttervater.) Man schaut – quasi aus göttlicher Perspektive – hinab auf die erbärmlichen Kreaturen, die sich durch die schnöde Realität mühen. Das ist auch Ausdruck einer (inneren) Haltung!
Über die genialen Möglichkeiten, die uns Drohnenaufnahmen bieten, sollten wir nicht vergessen, dass diese Bilder nicht nur schön sind, uns Strukturen offenbaren, die man vom Boden aus nicht wahrnehmen kann, sondern uns eine völlig neue Sichtweise und damit natürlich auch eine innere Haltung anbieten, die wir bei exzessiver Nutzung an unsere Zuschauer:innen weiter geben.
Demnächst: Einstellungsgröße Halbtotale – Ordnung und Beziehung